Wintersemester 2021/22. Ich fertige meinen Stundenplan an – Literaturwissenschaft ist wieder an der Reihe. Titel des Seminars: Proust lesen. Der Name des Autors kommt mir bekannt vor, ich habe ihn auf jeden Fall schon einmal gehört. Ein Titel fällt mir dazu allerdings nicht ein. Und lesen? Gemeinsam? Unter Anleitung? Im Seminar? Klingt gut, meint mein etwas lesefaules Ich.
Erste Uni-Woche, Mittwochabend, ich nehme Platz im Seminarraum. Fast alle haben bereits das zu behandelnde Werk vor sich liegen, doch heute gilt es erst einmal, den Schriftsteller und seinen – wie wir im Laufe der Sitzung erfahren – autobiografischen Roman im Kontext der Belle Epoque einzuordnen. Lesen ist Hausaufgabe bzw. soll gemeinsam im Seminar erfolgen, da es wohl keine leichte Kost sei, die abends kurz vor dem Schlafengehen gelesen werden könne, sei. Das kann ja heiter werden.
Trotz der Befürchtung, dass mir die Lektüre des Romans enorm schwerfallen würde, nehme ich mir für den gleichen Abend eine erste Auseinandersetzung mit der Recherche vor. Hier im Seminarraum will ich mir mein künftiges Projekt vorab einmal anschauen. Bereits beim Aufschlagen der ersten Seite erleiden meine Lesemotivation und ich einen Schock – die Schrift ist winzig, der Zeilenabstand quasi nicht existent. Ich weiß, es wird ewig dauern, da ich mich und meine wenig ausgeprägte Konzentrationsspanne kenne, wenn es um das Lesen fremdsprachiger Werke geht, deren Auswahl ich zudem nicht selbst getroffen habe. Allerdings ist jene Skepsis durchmischt mit der Gespanntheit darauf, von welchen Geschehnissen Proust mir im ersten Teil seines siebenbändigen Romans À la recherche du temps perdu berichten wird.
Am gleichen Abend noch wage ich den ersten Leseversuch – nicht wie sonst kurz vor dem Schlafengehen, sondern noch konzentriert am Schreibtisch sitzend. Der Protagonist hingegen beginnt seinen ersten Band damit, von seinem Bett aus zu berichten. Er schläft – nein, er versucht zu schlafen. Er dreht und wälzt und streckt sich. So ergeht es ihm über mehrere Seiten hinweg. Anfangs noch hege ich Empathie – ich weiß selbst, wie schrecklich es ist, wenn man schlafen möchte, aber der Körper es aus unerklärlichen Gründen untersagt. Dennoch werde ich langsam ungeduldig, verliere mich ständig in den sich über zahlreiche Zeilen erstreckenden Schachtelsätzen und verfalle wieder und wieder in die Versuchung, mir das Buch sogleich in deutscher Übersetzung zu bestellen, um meine Chance zu erhöhen die knapp 400 Seiten hinter mich zu bringen. Jetzt schlaf doch endlich! Nach einer Weile geht meine Lektüre fließend in ein bloßes Scannen nach Satzzeichen über, und ich schnappe nur noch einzelne Worte auf. Sobald ich mich wieder beim Abdriften meiner Gedanken erwische, ermahne ich mich, sammle meine Konzentration erneut und stürze mich zurück in Prousts Syntax-Labyrinth. Ich weiß jetzt, was unser Dozent damit meinte, als er sagte, die Recherche sei keine Gute-Nacht-Lektüre im herkömmlichen Sinne. Als das drame du coucher – wie ich später im Seminar lerne – nach 20 Seiten noch immer kein Ende hat, beschließe ich den Roman zur Seite zu legen und am nächsten Tag einen weiteren Versuch der Lektüre zu wagen.
Für die nächste Sitzung bin ich immerhin bis kurz vor die berühmte Madeleine-Szene vorgedrungen. Das Thema? Nach wie vor die unendlichen Fehlversuche einzuschlafen gepaart mit irgendwelchen Erinnerungen an verschiedene Schlafzimmer. Persönliche Rezension: Na ja. Während des Seminars lesen wir Textstellen gemeinsam, analysieren diese und besprechen sowohl den Satzbau, dessen Wirkung, als auch enthaltene Motive. Jetzt wird es doch interessant und ich bin bezüglich des Weiterlesens nicht mehr so ganz hoffnungslos gestimmt. Vieles ist mir während meiner eigenen Lektüre entgangen, wie der Fakt, dass es keine konkreten Zeitangaben gibt. Darauf werde ich in meinen zukünftigen Leseversuchen achten.
Die Wochen vergehen, und ich komme lediglich schleppend mit dem Band voran. Im Seminar, wenn es darum geht, die Autobiografie im Plenum zu besprechen und sich über die einzelnen Elemente des Romans auszutauschen, bin ich aktiv dabei und mir gelingt es, das Gelesene zu rekapitulieren und zu verstehen. Beschäftige ich mich hingegen alleine mit dem Werk an meinem Schreibtisch sitzend, entwickelt sich langsam aber sicher mein persönliches drame du lire.
Neue Sitzung, neues Glück. Wir besprechen gemeinsam die Madeleine-Episode, indem die dazugehörigen Textpassagen aufgeteilt, erneut gelesen und dann analysiert werden. Der Austausch über die einzelnen Elemente hilft mir – wie jedes Mal – das Gelesene zu begreifen. Zudem realisiere ich, wie genial dieses Buch, insbesondere diese Szene, geschrieben wurde mit all ihren florierenden Beschreibungen und Metaphern. Aus einzig und allein einer Tasse Tee und einem Stück Madeleine eine solche Erkenntnis zu gewinnen, die letztendlich mit der Schöpfungsgeschichte, einem japanischen Wasserspiel sowie dem Urknall gleichgesetzt wird – wow. Mein persönlicher Hoffnungsträger, die Lektüre irgendwie zu bewältigen, ist und bleibt also das Seminar samt dem Dozenten, den anderen Teilnehmern und deren Beiträgen. Während des gemeinsamen Austauschs finde ich sogar großen Gefallen am Roman, da ich mithilfe der Denkanstöße beginne zu verstehen, was genau geschieht, und zudem neue Motivation schöpfe alleine weiterzumachen. Somit setzt sich meine kleine persönliche Achterbahnfahrt der Recherche fort.
Heute sitze ich wieder am Schreibtisch, den Roman aufgeschlagen vor mir. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, wie mein Urteil lautet. Weder möchte ich als Nicht-Muttersprachlerin zu sehr über den Text urteilen, da meine Verständnisprobleme zum Großteil fehlenden Vokabelkenntnissen geschuldet sind, noch kann ich allerdings sagen, ich würde mich bezüglich des Inhaltes enorm auf meine abendliche Lesestunde freuen. Was Proust auf jeden Fall geschafft hat, ist es, mich mit seinen detailreichen Beschreibungen verschiedener alltäglicher Ereignisse in seinen Bann zu ziehen und mich zu fühlen, als würde ich das gleiche schmecken, riechen und fühlen wie er es einmal tat. Ich bin und bleibe gespannt darauf, was noch kommen wird auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Des chansons françaises comme, par exemple, « Non, je ne regrette rien » d’Edith Piaf ou « Les Champs-Elysées » de Joe Dassin sont connues bien au-delà des frontières françaises : La popularité mondiale des chansons françaises – appartenant sans doute au patrimoine culturel de la France – montre qu’elles sont bien plus qu’un simple divertissement ! Dans le cadre de notre séminaire, nous sommes partis en quête de l’histoire et des caractéristiques des chansons françaises. Nous sommes également intéressés aux développement de ce genre jusqu’à nos jours tel qu’est est perceptive dans le rap et la musique électronique francophones.
Lesen Sie hier den Exkursionsbericht von Louisa Ewen und Kerstin Woll. Die Fotos steuerte Chiara Schmitt bei.