« Ich räche nicht mein Herkunftsmilieu, ich zahle den Kollektiven, denen ich viel zu verdanken habe, nur meine symbolischen Schulden zurück. »

Interview mit Rose-Marie Lagrave, Soziologin und Autorin des Buches "Se ressaisir – Enquête autobiographique d'une transfuge de classe féministe"

Veröffentlicht am
31.1.23

Lars Henk

RPTU in Landau

Lea Sauer

RPTU in Landau

Guten Tag Frau Lagrave, wir danken Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie uns so freundlich bei sich empfangen. Im Rahmen unseres Forschungsprojekts zu Bourdieus Erben erforschen wir die Spuren, die Bourdieus Werk in der Gegenwartsliteratur hinterlassen hat. Bourdieu hat den Weg für die Auto-Analyse bereitet und Sie haben ein Werk über Ihren eigenen Weg geschrieben. Also stellen wir uns die Frage: Sind Sie eine Erbin Bourdieus?

Das würde ich so nicht sagen. Es gibt eine Fülle von Bourdieus Erben und von Personen, die sich selbst als seine Erben bezeichnen. Ich bin überhaupt keine Erbin Bourdieus, sondern ich fühle mich seiner Soziologie und seiner Arbeitsweise verpflichtet, ohne eine Erbin zu sein. Wie ich in meinem Buch zum Ausdruck bringe, waren die Lektüre seiner Schriften, die Teilnahme an seinen Seminaren und später seinen Vorlesungen am Collège de France die Momente, in denen ich endlich die Bedeutung und auch den Anspruch der Soziologie begriffen habe. Davor hatte ich den Eindruck, eine routinierte, beschreibende Soziologie zu betreiben. Ich leugne überhaupt nicht, dass Beschreibungen in der Soziologie wichtig sind, aber man muss über die bloße Beschreibungsebene hinausgehen, man darf auf dieser Ebene nicht stehenbleiben, wenn man Soziologie betreiben will. Bevor ich Bourdieu las, hatte ich noch nicht das richtige Werkzeug und die kritischen Ansätze, die Bourdieu zu bieten hat, um das Herrschaftsgeflecht zu durchleuchten, das unsere soziale Welt strukturiert. Die intellektuelle Begegnung mit ihm war also ein Wendepunkt für mein Soziologieverständnis. Sein kritisches Denken und seine Selbstreflexivität haben mich geprägt, aber ich bin keine Erbin von Bourdieu. Außerdem glaube ich nicht, dass er in Bezug auf sein intellektuelles Vermächtnis von einem Erbe gesprochen hätte.

In Ihrem Aufsatz « La lucidité des dominés », der in dem von Ihnen mitherausgegebenen Band Travailler avec Bourdieu (2003) erschienen ist, sprechen Sie auch von dem kritischen Geist, den Bourdieu Ihnen vermittelt hat. Können Sie uns mehr darüber verraten, wie sich dieser kritische Geist in Ihrer Forschung manifestiert?

Diesen kritischen Geist habe ich anhand von sehr unterschiedlichen Forschungsgegenständen zum Einsatz gebracht, sei es bei der Untersuchung zum Status von Landwirtinnen, in den Gender Studies oder in Bezug zu Bourdieus eigener Forschung. Insbesondere zwei Dinge habe ich ihm vorgehalten: Als er mir das Manuskript von La domination masculine (dt. Die männliche Herrschaft) geschickt hat, habe ich ihn dafür kritisiert, dass er seine kritischen Instrumente eben nicht genug angewendet habe. In seinen anderen Werken betont Bourdieu, wie wichtig es sei, die Forschung zu berücksichtigen, die das Feld, in dem er arbeitet, absteckt, um so die intellektuellen, ja sogar epistemologischen Kämpfe und die wissenschaftlichen Herausforderungen, die ein bestimmtes Feld durchziehen, hervortreten zu lassen. In La domination masculine übergeht er die feministischen Kämpfe, die seit den 1960er bzw. 1970er Jahren geführt wurden, ohne sie anzuerkennen und sich in dieser Forschungstradition zu verorten – und sei es auch nur, indem er sie kritisiert. Er ignoriert diese geradezu. Der zweite Kritikpunkt betraf seine Esquisse pour une auto-analyse (dt. Ein soziologischer Selbstversuch). Wenn Bourdieu seinen sozialen Aufstieg beschreibt und dabei die große Bandbreite seines Werdegangs betont, übersieht er, dass sein Geschlecht eine wichtige Ressource seines sozialen Aufstiegs war. Ich habe daher seine eigenen kritischen Instrumente zu Rate gezogen, um aufzuzeigen, wie die ein oder andere Amplitude sozialer Bewegung vom Geschlecht abhängt – ein blinder Fleck von ihm. Diese nicht unwesentliche Kritik hält mich allerdings nicht davon ab anzuerkennen, wieviel ich ihm schuldig bin.

Was hat Bourdieu Ihnen geantwortet?

Als die Esquisse 2004 auf Französisch erschienen ist, war er bereits verstorben, und auf meine Kritik zu La domination masculine hat er nie geantwortet. Er hat mich damals sogar angerufen und gefragt, ob ich damit einverstanden sei, dass er mich in seiner Danksagung im Buch erwähnt und dabei auch gemeint, dass Danksagungen immer ein zweischneidiges Schwert seien, da sie die Erwähnten auch in eine unangenehme Position bringen könnten (Anm. d. Red.: In der Danksagung nennt Bourdieu allerdings keine konkreten Namen). Dass er damals meine Änderungsvorschläge mit einem Schweigen quittierte, bedeutete im Grunde, dass er sie ablehnte.

Wie hat der kritische Geist ihre eigene « enquête autobiographique » (dt. autobiografische Untersuchung) Se ressaisir. Enquête autobiographique d'une transfuge de classe féministe beeinflusst?

In meinem Buch habe ich durchgehend versucht, mir die von Bourdieu vorgegebenen Werkzeuge anzueignen, um zu versuchen, meinen Werdegang so genau wie möglich zu erfassen. Ich habe die aufeinanderfolgenden Milieus, die ich durchlaufen habe, mit den statistischen Vorhersagen über die Bildungschancen von Kindern aus kinderreichen Familien aus dem ländlichen Raum sorgfältig abgeglichen und zahlreiche Archive besucht. Dabei habe ich keine einfache Autobiografie verfasst, sondern eine Studie über drei Generationen meiner Familie in mütterlicher und väterlicher Linie hinweg durchgeführt. Das Wort « enquête » ist wichtig, da ich versucht habe, Situationen und Erfahrungen, die normalerweise in den Bereich des Intimen fallen, so weit wie möglich zu objektivieren. Ich wollte genügend empirische Beweise sammeln, damit jeder, der nach mir kommt, die Möglichkeit hat, meine Behauptungen zu überprüfen. Ich durchforstete die Archive meiner kleinen Schule in einem kleinen 300-Einwohner-Dorf, dann die des Departements und des Rektorats, um die schulischen Erfolge meiner Schwestern und Brüder mit denen der anderen aus unserem Dorf und später mit denjenigen auf dem Gymnasium zu vergleichen.  

Es handelt sich also um ein wissenschaftliches, ein soziologisches Werk?

Ich würde nicht von Werk sprechen, sondern von einer soziologischen Arbeit über meine eigene Familie. Sowas wurde bislang noch nicht durchgeführt, weil Forscher normalerweise andere Familien als ihre eigene untersuchen. Diese Studie hat es mir ermöglicht, das Naheliegendste und Intimste zu objektivieren: die eigene Familie.

Ist das dann auch der große Unterschied zu den Autosoziobiografien von Annie Ernaux, Didier Eribon und Édouard Louis?

Ja, ich habe jede Erzählung des Selbst ausgeschlossen. Mein Ansatz bestand darin, den Prozess der Migration von einer sozialen Klasse in eine andere soziologisch zu verstehen. Ein zweiter Unterschied zu den von Ihnen zitierten Autorinnen und Autoren besteht darin, dass ihre Werke vielzählig sind und ihren Werdegang dabei von Buch und Buch weiter entfalten, insbesondere bei Annie Ernaux ist das der Fall. Ich hingegen habe den gesamten Prozess in einem Buch zusammengefasst. Didier Eribon kommt in La société comme verdict (dt. Gesellschaft als Urteil) ebenso wie Édouard Louis in Changer : Méthode (dt. Anleitung, ein anderer zu werden) erneut auf seinen Werdegang zurück.

Ist es nicht schwierig, wenn nicht gar unmöglich, den Wunsch nach Objektivierung mit dem « Ich » in Einklang zu bringen?

Während meines Studiums gewährleistete das « man » in der Soziologie die Distanz, die der Forscher zu seinem Gegenstand eingenommen hatte. Die Reflexivität hinsichtlich der eigenen Position erlaubt es seit jeher, eine Verbindung zwischen den persönlichen Eigenschaften eines Forschers und den ethischen und politischen Dispositionen, die ihn in seiner Wahl des Forschungsobjekts und seiner Herangehensweise leiten, herzustellen. « Ich » zu sagen, bedeutete für mich einen regelrechten Kraftakt. Ich hatte Angst, einer biografischen Illusion (Anm. d. Red.: Titel eines Aufsatzes von Bourdieu, in dem er davor warnt, das eigene Leben als eine notwendige Teleologie aufzufassen) aufzusitzen, d.h. in einen schlechten Narzissmus zu verfallen. Um dem zu entgehen, bettete ich dieses « Ich » in einen größeren Kontext ein (die Geschwister, die Schule, das Gymnasium, die Sorbonne, die feministische Bewegung usw.). « Ich » zu sagen, erzeugt eine Spannung zwischen der Subjektivität des « Mädchens » und der Soziologin, die nur durch die Vermittlung mithilfe von empirischem Material abgemildert werden konnte.

Warum haben Sie trotz dieser methodischen Schwierigkeiten über Ihr eigenes Leben geschrieben?

Ehrlich gesagt war es ein Verlagsauftrag. Ich hatte zuvor einen Artikel geschrieben, den der Verleger von La Découverte entdeckt hatte und mich dann bat, daraus ein Buch zu machen. Ich brauchte also einen äußeren Anlass, um die Feder in die Hand zu nehmen. In Frankreich hat die Autobiografie in akademischen Kreisen einen schlechten Ruf, da es heißt, dass diejenigen, die sie schreiben, angeblich nichts Wissenschaftliches mehr zu sagen haben; es sei ein illegitime Gattung. Ich wusste, dass ich mit diesem Buch ein Risiko eingehe. Mir war auch nicht klar, inwiefern mein Background interessant sein könnte, bis ich mich mit dem Forschungsstand auseinandersetzte. Die Lücken, die sich in Bezug auf Kinder aus kinderreichen Familien, die ländliche Welt, Religion, Krankheit und die Geschlechterunterschiede auftaten, veranlassten mich schließlich dazu, zu schreiben.

Bourdieu sprach über seinen Lebensweg als « transfuge » (dt. Überläufer). Er gibt zu, einen « habitus clivé », einen gespaltenen Habitus, zu haben. Auch Sie verwenden den Begriff des « transfuge de classe » (dt. Klassenüberläufers). Gleichzeitig schreiben Sie aber auch, dass Sie keinen gespaltenen Habitus haben. Ist das nicht widersprüchlich?

Ich hätte Chantal Jaquets Begriff der « transclasse », der nichts über die Richtung der Mobilität aussagt, verwenden können. Als ich jedoch die Kurve der sozialen Migration meiner Familie untersuchte, stellte ich fest, dass sich da ein Aufstieg verzeichnen lässt. Der Begriff des « transfuge » trägt dieser aufsteigenden Richtung Rechnung. In Bezug auf meinen Werdegang ist auch dieser Begriff nur zu einem bestimmten Zeitpunkt gültig, nämlich anlässlich meiner Wahl zur Studiendirektorin. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich nicht mehr absteigen. Der Begriff « transfuge » vermittelt diesen stets unsicheren Übergang von Ort zu Ort nicht als Flucht, sondern als langsame Migration, bei der sich nach und nach neue Universen auftun. Sie haben Recht, dass ich keinen gespaltenen Habitus wie beispielsweise Annie Ernaux, Didier Eribon, Édouard Louis oder Pierre Bourdieu habe. Ich würde sagen, ich hatte eine andere Beziehung zu meinem Herkunftsmilieu. Ich bin zwar aus diesem Dorf weggezogen, um in Paris zu leben, aber aufgrund der Krankheit meines Vaters und meines älteren Bruders kehrte ich häufig zu meiner Familie nach Hause zurück, oft sogar für viele Monate. Dieses ,Hin und Her‘ hat einen « habitus mixte » hervorgebracht, einen gemischten Habitus. Eine Art Legierung zweier Welten, an die ich mich gleichermaßen anpasste. Politisches und feministisches Engagement sowie kritische Ansätze in der Soziologie ließen mich wissen, dass ich fortan zur intellektuellen Bourgeoisie gehörte. Ich hütete mich allerdings gleichzeitig vor ihren Ansprüchen und ihrer Verachtung gegenüber den unteren Klassen. Vielleicht wäre es angebrachter, von einer Art « Halbheit » zu sprechen, einer Art Hybridisierung zwischen den inkorporierten Werten meiner familiären Sozialisation und denjenigen der Welt, in der ich gelandet bin. Ich habe den Eindruck, dass ich vielmehr einen anpassungsfähigen Habitus besitze, was doch ein Widerspruch zum gespaltenen Habitus ist.

Wenn Sie sagen, dass Sie keinen « habitus clivé » haben, könnte man dann behaupten, dass das Schreiben für Sie eine andere Bedeutung hat, als beispielsweise für Ernaux? Sie stellt ihrem Roman La place (dt. Der Platz) sogar den Satz von Jean Genet voran: « Schreiben ist der letzte Ausweg, wenn man einen Verrat begangen hat. »

Annie Ernaux und Jean Genet sind Schriftsteller, was ich nicht bin; vielleicht war das Schreiben in ihrem Fall ein mächtiges Mittel, um, wie Annie Ernaux es schreibt, « ihr Herkunftsmilieu* zu rächen ». Als ich mein Buch schrieb, wollte ich niemanden rächen. Das liegt außerhalb meiner Absichten. Ich wollte zeigen, dass es statistische Ausnahmen von der Regel der sozialen Reproduktion gibt, die nicht außergewöhnlich sind, da ja jeder Aufstieg kollektiv konstruiert ist. Ich wurde zu einer « transfuge », weil ich, um es mit Paul Pasquali zu sagen, in meinem Aufstieg « alliés d’ascension », d.h. Verbündete, hatte: meine Grundschullehrer, wohlwollende Professoren, Stipendien, militante Kollektive, den Feminismus. Ich bin kein Wunderkind, ich hatte nicht mehr Talent als andere. Das einzige Mittel, das ich hatte, um die sozialen Grenzen zu überschreiten, waren Arbeit und die Unterstützung der aufeinanderfolgenden Verbündeten. Ich habe also nicht das Gefühl, mein Herkunftsmilieu verraten zu haben, wenn Verrat bedeutet, dass diese Verschiebung mich völlig von meinem Herkunftsmilieu entfernt hat und ich anschließend einen herablassenden und verächtlichen Blick auf meine Herkunftsklasse werfe. Meine Forschung im Bereich der ländlichen Soziologie haben es mir, im Gegenteil, ermöglicht, diese Welt mit neuen Augen zu sehen und dort Ressourcen, Lebensweisen, soziale Verhaltensweisen, Stärken und Nachteile zu entdecken, die ich dort nicht erahnt hatte, als ich noch in diesem kleinen Dorf in der Normandie wohnte. Wenn man die Welt aus einem Herrschaftsraster heraus betrachtet und Feministin ist, darf man seine Herkunftsklasse nicht verraten, sondern solidarisiert sich mit ihr, und sei es nur, indem man mit Büchern eine symbolische Schuld begleicht. In Se ressaisir räche ich nicht mein Herkunftsmilieu, sondern zahle ihm, dem ich viel zu verdanken habe, meine symbolische Schuld zurück.

Sie haben gerade über die Solidarität unter Feministinnen gesprochen. In diesem Zusammenhang scheint das Thema der Intersektionalität aktuell sehr wichtig zu sein. Was halten Sie davon?

Das ist ganz entscheidend. Intersektionalität ist die einzige Möglichkeit, die Komplexität und die Verflechtung der sozialen Beziehung von Geschlecht, Klasse, race, Sexualität und Alter zu verstehen. Man muss also all diese Elemente zum Ausdruck bringen und miteinander verbinden. Und es ist kein Leichtes, verschiedene statistische Eigenschaften miteinander in Verbindung zu bringen und dabei jeder einzelnen auch so gerecht zu werden, dass man je nach Kontext auch ihre jeweilige Gewichtung und ihre Dynamik vollständig erfasst. Mit dieser Methode wird die Soziologie um weitere Werkzeuge immens bereichert und ist zwingend notwendig, um in den Sozialwissenschaften verschiedene ethnozentrische Bias zu überwinden. In den zeitgenössischen, feministischen Bewegungen haben farbige Aktivistinnen Fragen aufgeworfen, die uns zwingen, auf das westliche und koloniale Erbe zu blicken und das zu berücksichtigen, was wir bislang größtenteils missachtet haben.

Sie haben eben den Titel Ihres Buches Se ressaisir erwähnt. Was bedeutet dieser?

« Se resaissir » (dt. sich zusammenreißen) heißt, ein Wagnis einzugehen und sich der Herausforderung zu stellen, es bedeutet, die Selbstkonstruktion zu reflektieren. Es bedeutet, die verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen der Sozialisation, die Umwege und Anstiege, die die soziale Migration ausmachen, erneut zu durchlaufen. « Se ressaisir » ist auch mit einem ironischen Augenzwinkern zu sehen, da meine Grundschullehrer und Lehrer oft im Quartalsheft vermerkten: « Sie muss sich im dritten Quartal zusammenreißen. » Sich zusammenreißen markiert auch die Momente, in denen man nicht mehr weiter weiß und zu sich selbst sagt, dass man sich zusammenreißen muss. Es erinnert mich auch an die Aufforderung meines Vaters, niemals nachzulassen.

Bei der Konferenz Écrire sa vie in Paris im Jahr 2021 hat Didier Eribon Ihnen vorgeworfen, homophob zu sein. Was sagen Sie dazu?

Korrekt lautet sein Vorwurf: « Dieses Buch ist entsetzlich und homophob. »

Oh pardon, genau, so hat er es gesagt.

Was soll man darauf antworten? Erstens frage ich mich, ob er mein Buch bis zum Ende gelesen hat. Zweitens scheint er meine Ausführungen in der Einleitung, in der ich aufzeige, dass Männer – einschließlich Bourdieu – bei der Beschreibung ihres Aufstiegs die Bedeutung des Geschlechts nicht berücksichtigen, missverstanden zu haben. Das männliche Geschlecht ist nun einmal nach wie vor ein Privileg, das Zugang zu einer Vielzahl von Ressourcen gewährt, etwa in Bezug auf Bildung oder hinsichtlich der Positionen sowie des Umfangs der sozialen Mobilität. Gerade die Tatsache, dass Eribon und Louis aufgrund ihrer Homosexualität stigmatisiert werden, sollte sie logischerweise dazu führen, zu erkennen, so meine Argumentation, wie ihr eigenes Geschlecht im Vergleich zu dem der Frau immer noch ein soziales Privileg darstellt. Ich würde erwarten, dass das Stigma ihrer Homosexualität ihnen ihr Geschlechterprivileg gerade vor Augen führt, da dadurch ihre Geschlechterposition ja nicht aufgehoben ist. Eribon kennt mich und weiß sehr wohl, dass ich nicht homophob bin. Ich zitiere sie im Übrigen oft in meinem Buch und ihre Werke waren für mich ausschlaggebend.

Sein Verhalten ließe sich vielleicht nachvollziehen, wenn man Bourdieus Feldtheorie anwendet. Im literarischen Feld, in dem Eribon und Louis ihren nomos erfolgreich durchgesetzt haben, d.h. in dem sie dominieren, sind Sie jetzt eine Konkurrentin. Wie Bourdieu vielleicht gesagt hätte, sind Sie hinsichtlich der Orthodoxie der Autosoziobiografie nun die Häretikerin.

Ich denke, dass ein solcher Angriff allein durch das Spiel der Konkurrenz nicht vollständig zu erklären ist. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, mit Eribon in Konkurrenz zu treten, denn ich schreibe über etwas komplett anderes. Im literarischen oder soziologischen Raum der « transfuges » gibt es Platz für alle, insbesondere für Frauen, die in dieser Hinsicht nicht sehr lautstark sind. Ein Beweis dafür ist ja der derzeitige Aufschwung der Autobiografien in Frankreich. Glücklicherweise verteidigte Annie Ernaux an diesem Tag mein Buch.

Apropos, Sie schreiben gerade ein Buch mit Annie Ernaux. Können Sie uns mehr darüber verraten?

Annie Ernaux und ich wurden vom Centre Marc Bloch in Berlin zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel « Expériences et écritures de transfuges de classe féministes » (dt. Erfahrungen und Schreiben feministischer Klassenflüchtlinge) im Rahmen einer Konferenz mit dem Titel « Les rapports de pouvoirs en littérature » (dt. Machtverhältnisse in der Literatur) eingeladen. Es war ein Gespräch zwischen uns beiden, in dem unsere Übereinstimmungen aber auch die Differenzen zutage traten. Uns wurde vorgeschlagen, aus diesem Austausch ein Buch zu machen. Es wird eine Art reflektierendes Spiegelbild sein, denn wir gehören derselben Generation an, haben aber dennoch sehr unterschiedliche Lebenswege. Mal treffen wir uns, mal gehen unsere Meinungen auseinander, immer mit viel Freude und in Freundschaft. Das Buch wird im März 2023 bei den Éditions de l’Ecole des Hautes Études erscheinen.

Wir wünschen Ihnen viele interessierte Leser und Leserinnen. Wir danken Ihnen für dieses anregende Gespräch.

* Im Original verwendet Rose-Marie Lagrave, ebenso wie Annie Ernaux, den Ausdruck « venger ma race ». Wegen der schwierigen Konnotationen und weil damit nicht wirklich die Rasse im Sinne von dem auch im deutschen geläufigen race gemeint ist, haben wir uns für die Übersetzung des Begriffs als « Herkunftsmilieu » entschieden. Dieser reicht, unserer Ansicht nach, am nächsten an das französische Pendant heran.

Das Gespräch führten Lars Henk und Lea Sauer, Übersetzung angefertigt von Lars Henk, Lea Sauer & Gregor Schuhen.

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« Je ne venge pas ma race, je ne fais que payer ma dette symbolique à des collectifs auxquels je dois beaucoup »

Bonjour Mme Lagrave, nous vous remercions de nous accueillir si chaleureusement chez vous. Dans le cadre de notre projet de recherche sur Les héritiers de Bourdieu, nous examinons les traces de l’œuvre de Bourdieu dans la littérature contemporaine. Bourdieu a ouvert la voie pour les auto-analyses et vous avez écrit un ouvrage sur votre propre trajectoire, nous vous posons la question : Est-ce que vous êtes une héritière de Bourdieu ?

Non, je ne dirais pas ça. Il y a pléthore d’héritiers de Bourdieu et de personnes qui s’en réclament comme héritiers. Je ne suis pas du tout une héritière de Bourdieu. Je suis affiliée à sa sociologie, sans être une héritière. Comme je l’exprime dans mon livre, lire ses écrits, assister à ses séminaires, puis à ses cours au Collège de France, furent des moments où j’ai enfin compris l’importance et l’exigence de la sociologie. Avant de lire et d’écouter Bourdieu, j’avais l’impression de pratiquer une sociologie routinière, descriptive. Je ne nie pas l’importance de la description en sociologie, mais il ne faut savoir dépasser ce moment. Avant de le lire, je n’avais pas encore les outils et les approches critiques que donne Bourdieu pour porter au jour le tissage des dominations qui structurent le monde social. La rencontre intellectuelle avec lui a été un tournant dans ma façon d’envisager la sociologie et d’appréhender  le monde social. C’est l’héritage de sa pensée critique et sa réflexivité sur lui-même qui m’ont marquée, mais je ne suis pas une héritière de Bourdieu. D’ailleurs, je ne crois pas qu’il ait parlé en termes d’héritier concernant son legs intellectuel.  

Dans votre article « La lucidité des dominés », paru dans Travailler avec Bourdieu (2003) que vous avez co-édité, vous parlez également de cet esprit critique que Bourdieu vous a transmis. Pourriez-vous donner plus d’informations concernant comment celui-ci s’exerce dans votre recherche ?  

Cet esprit critique, je l’ai mis au travail sur des objets très divers, que ce soit sur le statut des agricultrices, les études de genre, ou à l’égard de la production de Bourdieu lui-même. Je lui ai opposé notamment deux choses. Lorsqu’il m’a envoyé le manuscrit de La domination masculine, je lui avais fait part de mes critiques, en revisitant son manuscrit avec des arguments tirés de ses propres enseignements . Dans ses autres ouvrages, Bourdieu insiste sur l’importance de prendre en compte les recherches balisant le champ dans lequel il intervient pour faire ressortir les luttes intellectuelles, voire épistémologiques et les enjeux scientifiques et ordinaires qui traversent un champ particulier. Dans La domination masculine, il fait l’impasse sur les luttes cognitives féministes que nous avons faites depuis les années 60 et 70, sans même les reconnaître, et s’inscrire dans ce champ de recherche, ne fusse qu’en le critiquant ; or, il l’ignore.  La deuxième critique portait sur son Esquisse pour une auto-analyse. Quand il décrit son ascension sociale, en insistant sur la grande amplitude de son parcours, Bourdieu ne s’aperçoit pas que son genre fut une ressource importante dans sa migration sociale. Je me suis donc saisie de ses propres outils critiques pour rappeler que la plus ou moins grande amplitude du déplacement social est fonction du genre, point resté aveugle chez lui. Ces critiques qui ne sont pas mineures ne m’ont nullement empêché de reconnaître ma dette envers lui.  

Qu’est-ce que Bourdieu vous a répondu ?

Concernant l’Esquisse, il était décédé, mais à propos de La domination masculine, il ne m’a jamais répondu. Il m’a téléphoné pour me demander si j’acceptais qu’il me remercie dans son livre, en ajoutant que les remerciements étaient à double tranchant, en ce qu’ils mettaient les concerné.es dans des positions inconfortables. Son silence après mes suggestions appelait un refus de ma part.

Comment est-ce que cet esprit critique a influencé votre « enquête autobiographique » Se ressaisir. Enquête autobiographique d'une transfuge de classe féministe ?

Il me semble que dans mon livre, à chaque moment, j’ai essayé de m’emparer des outils donnés par Bourdieu pour essayer d’appréhender au plus juste et au plus près mon parcours. J’ai été attentive aux contextes successifs que j’ai traversés et aux prédictions statistiques concernant les chances scolaires des enfants de famille nombreuses, issues du monde rural ; j’ai consulté de nombreuses archives. Je n’ai pas fait une autobiographie, mais une enquête sur trois générations de ma famille, en ligne maternelle et paternelle. C’est le mot « enquête » qui est important. J’ai essayé d’objectiver le plus possible des situations et expériences qui normalement relèvent de l’intime. Je voulais rassembler assez de preuves empiriques pour que quiconque après moi puisse vérifier ce que j’avançais. J’ai analysé les archives de ma petite école dans un petit village de 300 habitants, puis celles du département et du rectorat pour confronter les réussites scolaires de mes sœurs et frères par rapport aux autres élèves de ce village, puis ensuite au lycée.

C’est donc une œuvre scientifique, sociologique.

Je ne parlerai pas d’œuvre mais de travail sociologique sur ma propre famille, recherche jusqu’à présent inédite, puisque, classiquement, les chercheur.es analysent d’autres familles que la leur. Il me semble que j’ai donné un canevas possible et perfectible pour y parvenir, et cette enquête m’a permis d’objectiver ce qu’il y a de plus proche et de plus intime : sa propre famille.

C’est aussi la grande différence par rapport aux autosociobiographies d’Annie Ernaux, d’Eribon et d'Édouard Louis, hein ?

Oui, j’ai écarté tout récit de soi. Ma démarche consistait à comprendre sociologiquement un processus de migration d’une classe sociale à une autre. Une seconde différence avec les auteur.es que vous citez tient à la pluralité de leur œuvre dépliant leur parcours de livre en livre, notamment Annie Ernaux, alors que j’ai ramassé le processus en un seul ouvrage. Didier Eribon est revenu sur sa trajectoire dans La société comme verdict, et Édouard Louis, avec Changer : méthode.

Est-ce que ce n’est pas difficile, voire impossible de réconcilier la volonté d’objectiver, et de dire « je » ?

En sociologie, lors de mes années de formation, le « on » attestait la distance  que le chercheur avait prise par rapport à son objet. Depuis, la réflexivité sur la position située permet de mettre en relation les propriétés du chercheur.e et ses dispositions éthiques et politiques qui le guident dans le choix de ses objets et la manière de les appréhender. Il a fallu une espèce de coup de force vis à vis de moi-même pour parvenir à dire « je ». En fait, j’avais peur de dériver vers une illusion biographique, c’est à dire de tomber dans un narcissisme de mauvais aloi. Pour y échapper, j’ai plongé ce « moi » dans des configurations plus larges (la fratrie, l’école, le lycée, la Sorbonne, les mouvements féministes, etc..), pour exclure toute réflexivité narcissique. Dire « je » crée une tension entre la subjectivité de la « fille » et la sociologue, que seule la médiation par des matériaux empiriques pouvait atténuer.

Malgré cette difficulté méthodologique, pourquoi avez-vous donc écrit sur votre propre vie ? Est-ce que vous avez ressenti la nécessité de le faire ?

Je n’ai éprouvé aucune nécessité. Écrire ce livre, ce n’était pas du tout par nécessité. Pour être franche, c’était une commande éditoriale. J’avais écrit auparavant un article qu’un éditeur a découvert et m’a demandée d’en faire un livre. Il me fallait donc une autorisation extérieure à moi-même pour prendre la plume. En France,  dans le milieu académique, l’autobiographie a mauvaise presse, référée qu’elle est à celles et ceux censé.es n’avoir plus rien à dire scientifiquement ; c’est un registre illégitime. Je savais que je prenais un risque en faisant ce livre.  En outre, je ne voyais pas en quoi mon parcours pouvait être intéressant, jusqu’à ce que je procède à l’état de la question. Des lacunes concernant les enfants de familles nombreuse, le monde rural, la religion, la maladie, les biais de genre ont été les raisons qui m’ont incitée à la prise d’écriture.

Bourdieu a parlé de sa trajectoire en tant que « transfuge fils de transfuge ». Il avoue avoir un habitus clivé. Vous utilisez aussi le terme de « transfuge de classe ». Mais, en même temps, vous écrivez que vous n’avez pas d’habitus clivé. Est-ce que ceci n’est pas contradictoire de se nommer transfuge ?

J’aurais pu utiliser la notion de « transclasse » de Chantal Jacquet qui ne préjuge pas du sens de la mobilité. Or, en examinant la courbe de la migration sociale de ma famille, j’ai constaté qu’elle est ascendante. La notion de transfuge rend compte de cette  pente ascendante, et, concernant ma trajectoire, la notion n’est valide qu’à un moment donné de mon parcours, lors de mon élection comme directrice d’études, puisque je ne pouvais plus être déclassée. Le terme transfuge traduit ce passage toujours incertain de places en places, non comme une fuite mais une lente migration explorant d’autres univers.  Vous avez raison, je n’ai pas d’habitus clivé comme A. Ernaux, Didier Eribon, Édouard Louis, ou Pierre Bourdieu. Je dirais que j’ai eu un autre rapport à mon milieu d’origine. Je suis partie de mon village pour vivre à Paris, certes, mais en raison de la maladie de mon père et de mon frère aîné, mes retours dans la maison familiale étaient fréquents, souvent pendant de longs mois. Ces allers/retours ont fabriqué un habitus mixte, sorte d’alliage entre deux univers auxquels je m’ajustais. Les engagements politiques et féministes et les approches critiques en sociologie m’ont permis de savoir que je fais désormais partie de la bourgeoisie intellectuelle, tout en me gardant de ses prétentions et de son mépris à l’égard des classes subalternes.  Il faudrait peut-être parler d’une espèce de demi-mesure, d’une sorte d’hybridation entre les valeurs incorporées de ma socialisation familiale et celles du monde dans lequel j’ai atterri. J’ai plutôt l’impression de détenir un habitus malléable, ce qui est pourtant antinomique.  

Puisque vous n’avez pas d’habitus clivé, peut-on dire que l’écriture a aussi une autre signification pour vous que, par exemple, pour Ernaux ? Elle cite Jean Genet, si je ne me trompe pas, qui a dit qu’« écrire c’est le dernier moyen quand on a trahi. »

Annie Ernaux et Jean Genet sont des écrivains, ce que je ne suis pas ; peut-être dans leur cas, l’écriture fut un puissant recours pour « venger sa race », comme l’écrit Annie Ernaux. En écrivant mon livre, je n’ai voulu venger personne. C’est en dehors de mes catégories. Je voulais montrer qu’existent des exceptions statistiques à la règle de la reproduction sociale qui ne sont pas exceptionnelles, puisque toute ascension est une construction collective. Je suis devenue une transfuge de classe parce que j’ai eu des alliés d’ascension, pour reprendre le terme de Paul Pasquali (mes instituteurs, des professeurs bienveillants, des bourses d’études, des collectifs militants, le féminisme). Je ne suis pas une miraculée scolaire, je n’avais pas plus de talent que les autres. Le seul moyen que j’avais pour traverser ces frontières sociales, c’étaient le travail et le soutien des alliés successifs. Je n’ai donc pas le sentiment d’avoir trahi mon milieu d’origine, si trahir veut dire que ce déplacement m’a complètement éloignée de mon milieu d’origine et que je porte ensuite un regard condescendant et de mépris sur la classe dont je suis issue. Mes recherches en sociologie rurale m’ont au contraire permis d’appréhender cet univers avec un regard neuf, et d’y découvrir des ressources, des façons de vivre, des sociabilités, des atouts et des handicaps, insoupçonnés lorsque j’habitais un petit village normand.  Ensuite, si vous appréhender le monde à partir d’une grille des dominations, et si vous êtes féministe, vous ne pouvez pas trahir votre classe d’origine, mais vous en devenez solidaire, ne serait-ce qu’en payant par des livres une dette symbolique. Dans Se ressaisir, je ne venge pas ma race, mais je paie ma dette symbolique à ma classe sociale d’origine, à laquelle je dois beaucoup.

Vous venez de parler de cette solidarité parmi les féministes. Hier, nous avons parlé d’intersectionnalité avec Chantal Jaquet. Ce concept nous semble être très important dans le contexte du féminisme contemporain. Qu’est-ce que vous en pensez ?

C’est primordial. L’intersectionnalité est la seule manière d’appréhender la complexité et l’imbrication des rapports sociaux de genre, de classe, de race, de sexualité et d’âge. Il faut donc articuler et  croiser tous ces éléments, et ce n’est pas une mince affaire lorsqu’il s’agit de croiser statistiquement l’ensemble de ces propriétés, en faisant droit à chacune, et en appréhendant le poids de chaque propriété selon les contextes et leur dynamique. Cette méthode enrichit considérablement les outils de la sociologie,  et elle est incontournable pour surmonter les divers biais ethnocentriques dans les sciences sociales. Dans les mouvements féministes contemporains, les militantes racisées ont suscité des interrogations nous obligeant à voir et à prendre en compte un héritage occidental et colonial dont nous n’avions pas toujours pris la mesure.  

Vous venez de mentionner le titre de votre bouquin Se ressaisir. Qu’est-ce que cela veut dire ?

« Se ressaisir », c’est faire le pari et se donner le  défi de procéder à une réflexivité sur la construction de soi ; c’est retraverser les différentes séquences de la socialisation, les bifurcations et les remontées qui font une migration sociale.   Se ressaisir, c’est aussi un clin d’œil ironique que j’ai voulu faire aux instituteur.es et aux professeur.es qui, sur le carnet trimestriel, mentionnaient « doit se ressaisir au troisième trimestre ». Se ressaisir marque également ces moments  où l’on flanche, et où l’on se dit  ressaisis-toi. C’est aussi le souvenir d’une injonction de mon père, pour qui il ne fallait jamais flancher.

Lors du colloque « Écrire sa vie » à Paris en 2021, Didier Eribon vous a reproché d’être homophobe. Qu’en dites-vous ?

La phrase exacte est : « Ce livre est épouvantable et homophobe »..

Oui, pardon, c’est ce qu’il a dit.

Que répondre à cela? Premièrement, je me demande s’il a lu mon livre jusqu’au bout. Deuxièmement, il me semble qu’il a mal interprété ce que je dis dans l’introduction, dans laquelle je montre que les hommes, y compris Bourdieu, ne prennent pas en compte le poids du genre quand ils décrivent leurs ascensions. Or, le genre masculin reste un privilège pour accéder à de multiples ressources, y compris intellectuelles ou en termes de position et d’amplitudes de déplacement. Toutefois, et c’est mon raisonnement, le fait qu’Eribon et Louis sont stigmatisés en raison de leur homosexualité devrait logiquement les porter à voir que leur genre reste un privilège social par rapport aux femmes.   J’attendais que le stigmate de l’homosexualité leur donne plus de lucidité à l’égard de leur privilège de genre, car l’homosexualité n’annule pas leur position de genre. Didier Eribon  me connaît et  sait fort bien que je ne suis pas homophobe. Je les cite souvent dans mon livre, et leurs ouvrages ont été décisifs pour moi.

Son comportement est peut-être compréhensible si l’on applique la théorie des champs de Bourdieu. Dans le champ littéraire, dans lequel Eribon et Louis ont réussi à imposer leur nomos, donc à dominer, peut-être que vous êtes une concurrente maintenant. Comme Bourdieu l’aurait dit, vous êtes une hérétique en ce qui concerne l’orthodoxie de l’autosociobiographie.

Je pense qu’une telle attaque ne peut être totalement comprise par le seul jeu de la concurrence. Il ne me serait jamais venu à l’esprit de me poser en concurrence avec Didier Eribon, car j’ai écrit tout autre chose. Dans l’espace littéraire ou sociologique des transfuges de classe, il y a de la place pour tout le monde, et notamment pour les femmes, peu loquaces à ce sujet ; j’en veux pour preuve la recrudescence actuelle des autobiographies en France. Heureusement, ce jour-là, Annie Ernaux a défendu mon livre.

En ce qui concerne vos projets actuels vous êtes en train d’écrire un livre avec Annie Ernaux, pourriez-vous nous donner quelques informations ?

Annie Ernaux et moi avions été sollicitées par trois doctorantes du Centre Marc Bloch de Berlin lors d’une table ronde intitulée « Expériences et écritures de transfuges de classe féministes » pendant le colloque « Les rapports de pouvoirs en littérature ». C’était une conversation entre nous deux qui mettait en relief nos résonances et nos différences. On nous a proposé de transformer cet échange en livre. Ce sera une espèce de jeu de miroirs réfléchissants, parce que nous sommes de la même génération, mais avec des trajectoires différentes. Nous nous retrouvons et nous divergeons, avec bonheur et amitié. Ce livre sortira en mars 2023 aux éditions de l’Ecole des Hautes Études.

Vous vous souhaitons beaucoup de lecteurs et lectrices. Nous vous remercions pour cet entretien très enrichissante !

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